Heute geht es um den Boho-Stil für Frauen über 60. Ob das überhaupt in diesem Alter noch funktioniert und wenn ja: wie. Aber lassen Sie mich dazu etwas ausholen…
Prolog: Es war einmal…
Sie betrat den kleinen, öffentlichen Strand in einer wunderschönen Küstenstadt in Spanien. Und sie hatte sofort meine ganze Aufmerksamkeit: Margarita.
Warum sie mich in ihren Bann zog? Sie trug einen fantastischen Boho-Stil: einen langen Kaftan im Mustermix, mit Pailletten, Leofell, Ikat-Muster, Batik-Optik und Co., zu braunen, locker zum Zopf geflochtenen Haaren. Mehrere Perlen-Armbänder schmückten ihr Handgelenk.
Aber was mich wirklich faszinierte, war ihre Ausstrahlung: eine Mischung aus fast kindlicher, sorgloser Leichtigkeit und gereifter Klasse – nahezu alterslos.
Ich sprach sie an und wir unterhielten uns lange im Schatten eines Sonnenschirms. Es war kaum zu glauben: Sie war gerade 60 Jahre alt geworden.
Den Boho-Stil hat sie in ihren Genen: Mit einem französischen Vater und einer spanischen Mutter wuchs Margarita in England auf, um schließlich auf Mallorca zu stranden. Mehr Multi-Kulti geht nicht. Und somit zeigte sich, dass ihr gepflegter Boho-Stil äußerst authentisch war – wie überhaupt ihre ganze Erscheinung.
Warum ich Ihnen das erzähle? Da ich häufig gefragt werde:
„Boho-Stil für Frauen über 60 – geht das überhaupt noch? Oder mache ich mich damit lächerlich?“
Antwort 1: Der Look von Margarita zeigt, dass Boho-Stil über 60 toll aussehen kann!
So entspannt und dennoch stilvoll!
Margarita zeigt mit ihrem bodenlangen Kaftan im Mustermix, mit Pailletten- und Leofell-Applikationen sowie einem Kordel-Verschluss am Ausschnitt, dass der Boho-Stil für Frauen über 60 wunderbar tragbar ist.
Als südlicher Herbst-Farbtyp mit braunen Augen und großem Helligkeitskontrast bleibt sie in ihrer besten Farbigkeit: Khaki- und Schilfgrün gemixt mit verschiedenen, warmen Brauntönen. Das Musterspektrum des Kaftans reicht von stilisierten floralen Motiven, über Leo-Optik und Ikat-Muster bis hin zu organisch geformten Batik-Verläufen – eine herrliche Musterreise um die Welt!
Ihr braunes Haar trägt Margarita ebenfalls stilecht sehr locker zu einem kleinen Zopf gebunden. Zusammen mit der Sonnenbrille in Pilotenform, die sie vorübergehend nonchalant ins Haar gesteckt hat, entsteht ein stylisher Look: lässig, kosmopolitisch und ein bisschen glamourös… Schlichtweg perfekt!
Antwort 2: Das Wichtigste, wenn Sie als Frau über 60 den Boho-Stil tragen möchten, ist…
Hier finden Sie Inspirationen zum Thema Boho-Stil, wenn Sie über 40, 50 oder 60 Jahre alt sind
Damit Sie sich die ganze Bandbreite der Möglichkeiten besser vorstellen können, habe ich für Sie eine Pinnwand auf Pinterest erstellt: „Boho-Stil für Frauen über 60“ (oder 40 oder 50 oder 70…):
Dort sehen Sie klassische Ladies mit edlem Seidenschal im Boho-Muster ebenso wie Puristinnen mit Fransenketten. Mutige Damen im Mustermix ebenso wie lässige Frauen mit floraler Palazzohose oder reichlich verzierter Tunika. Exzentrikerinnen im bunten Turban mit Statement-Brosche ebenso wie Städterinnen im sommerlichen Maxikleid.
Gerade für die heiße Sommerzeit ist der Boho-Stil mit seinen bequemen, unkomplizierten Silhouetten wie geschaffen. Ein „Wallekleid“, eine üppige Kette oder mehrere Armreife und mit Schmucksteinen besetzte Zehensandalen mit Riemchen – und schon ist er fertig: der easy Sommer-Boho-Stil.
Übrigens hat Margarita Ihren traumhaften Kaftan auch ganz stilecht und spontan erworben: auf einem Trödel- und Künstlermarkt auf Mallorca…
Jetzt interessiert mich natürlich brennend: Wieviel Boho-Gen steckt in Ihnen und wie drücken Sie dieses aus, wenn Sie über 40, 50 oder 60 Jahre sind? Erzählen Sie mir Ihre Geschichte in den Kommentaren!
Anmerkung: Liebe Margarita, vielen Dank dafür, dass Du Dich sofort bereit erklärt hast, Dich als Model für meinen Blog zur Verfügung zu stellen! Dieses spontane Vertrauen gegenüber einer fremden Frau ist nicht selbstverständlich. Ich habe unseren sonnigen Strand-Nachmittag und unser Gespräch sehr genossen. Unser Kennenlernen werde ich als wertvolle Perle in meinen Erinnerungen aufreihen – gerne mit Wiederholung, wenn die Zeit reif dafür ist. Hasta la proxima! 🙂
Liebe Stephanie, liebe Moflü,
am Strand finde ich Kaftankleider mit Strohhut und Sonnenbrille toll. Ein Gefühl von sommerlicher Leichtigkeit macht sich in mir breit.
Doch als Städterin trage ich dann doch eher die light-Version, falls ich das Gefühl von Leichtigkeit verspüre. Dann greife ich zu einem unifarbenen, tunikaartigen Kleid und schmücke mich mit Armbändern und Ohrringen aus dieser Stilwelt. Oder ich trage eine gemusterte Seidenschlaghose (Paisley) mit einer geraden, langen Hemdbluse und Zehensandalen.
Auf meiner Stilreise habe ich mich gerade mit den Themen Boho und Safari beschäftigt. Mein Anteil an Safari ist im Vergleich zu Boho stärker ausgeprägt. Ich bin ein androgyner Körpertyp und mein Gesicht ist eher klassisch oval mit feinen, geraden und abgerundeten Elementen. Mein Gefühl spricht Boho, doch mein Körper und mein Gesicht zeigen andere Stilelement auf: das etwas Strenge und Strukturierte. Auch finde ich mich als Farbtyp in der Bohowelt nicht wieder. Ich bin wohl eher die Unbunte.
Das Lebensgefühl von Leichtigkeit wird mich jedoch immer ansprechen. Bohomäßige Grüße in die Runde. Ingrid
Guten Morgen liebe Stephanie und liebe Flüsterinnen,
ich werde deine Beiträge auch vermissen – sollte mich aber ohnehin mal an die Moodboard-Analyse machen…und die Pause sei dir gegönnt!
Interessanterweise finde ich Boho oft gerade an älteren Frauen sehr stimmig – wenn es Richtung „Edelhippie“ geht und authentisch wirkt. Vielleicht, weil diese Frauen in ihrer Jugend „echte“ Hippies gewesen sein könnten?
Die Analyse und die Zeichnung sind wieder toll!
An anderen mag ich Boho-Elemente durchaus sehr und ich habe mich früher auch daran versucht. Allerdings will es nicht so richtig zu mir passen, ich fühle mich dann schnell verkleidet. Boho-Schmuck geht gar nicht! Schlichte Ledersandalen (kein Holz, kein Bast, keine Fransen) mag ich dagegen, Kaftanschnitte sowieso (aber bitte einfarbig oder maximal fein gestreift). Ethnomuster sind generell nicht so meine, tropisch darf es gerne mal werden – aber dann auf einem maximal schlichten Schnitt und kombiniert mit cleanen, modernen Sachen.
Herzlichen Gruß und einen schönen Sonntag von Diana
Liebe Diana,
das klingt ganz danach, als wäre Boho wirklich nicht Deins. Dazu hast Du anscheinend zu viele moderne, klare Anteile. Aber es muss ja auch nicht jeder alle Stil-Facetten aufweisen.
Deine Idee mit der authentischen, da bereits gelebten Boho-Präsenz finde ich sehr interessant! Dann ist das Boho-Vibe für solche Frauen einfach in den 60er/70er Jahren ein Teil der Persönlichkeit geworden und geblieben. Das wäre eine weitere tiefenpsychologische Untersuchung wert… 😉
Liebe Grüße von
Stephanie alias die Modeflüsterin
Hi, ihr Lieben, Boho authentisch, das hat wohl immer auch etwas mit der Lebenseinstellung zu tun, und die kommt in diesem Fall nicht ohne einen Funken Konsumkritik aus. Denn Boho – das ist nie nur ein Stil, nicht wahr?
„Barfuß im Herzen“ – las ich mal auf einer Postkarte 😉
Womit ich nochmal auf das Thema ‚Nachhaltigkeit‘ zurückkommen möchte. Mein Boho-Stil bietet mir die wunderbare Gelegenheit, auf Märkten und in Secondhand-Läden oder auch in meinen eigenen alten Koffern herumzustöbern und alte Fundstücke neu zu ‚inszenieren‘. Und mit seinen Anleihen bei anders- oder multikulti-konnotierten Modewelten erinnert dieser Stil auch immer ein bisschen an das große Projekt der ‚Solidarität mit den Schwächeren‘. In diesem Fall sitzen die ja oftmals am Ende der Produktionsketten unserer schönen Kleidungsstücke … So sind Boho-Stücke in einem weiteren und tieferen Sinn für mich immer auch statement-pieces. Ein Statement für Neu- und Andersdenken, für Kritik an einer der schmutzigsten Branchen weltweit überhaupt, der Modebranche. Boho als Stil – das ist für mich also immer ein Balanceakt: Ausdruck der Freude an der eigenen Persönlichkeit, der Freude an schönen Textilien, Farben … aber andererseits auch Ausdruck des Wissens darum, dass diese Freude nicht (mehr) ungetrübt sein kann.
Grüße von der Leipziger Annette (noch immer im Krisenchancenmodus)
Liebe Annette,
vielen Dankfür diesen sehr wichtigen, ergänzenden Gedanken zum Boho-Stil!
Ich finde es ja noch besser, wenn Frau „echte“ Ethno-Stücke erwirbt – also von den Produzenten in der jeweiligen Kultur – und damit dann einen heimischen kleinen Handwerksbetrieb unterstützt. Aber das ist natürlich eine idealistische Utopie und daher die Second-Hand-Variante sicherlich praktikabler 😉
Liebe Grüße von
Stephanie alias die Modeflüsterin
Liebe Stephanie, liebe Moflüs,
das ist ja mal wieder ein schönes Thema! Und ein weiterer Beweis, dass mit ein bisschen Mut und Überwindung ganz überflüssiger Schüchternheit wunderbare Erlebnisse entstehen. Das Bedürfnis, jemanden mit solch einer Aura anzusprechen, hatte ich immer schon mal, aber erst in den letzten Jahren tue ich es dann auch, und sei es nur für ein Kompliment. Angesichts Deiner Zeichnung wird Margaritas Ausstrahlung sehr lebendig, die Kaftanzeichnung ist natürlich wunderschön!
Ist Boho etwas für mich? Ganz klar: Jaaaaa! Bei aller Liebe zum Minimalismus tummeln sich auf meinem fast fertigen Moodboard überbordende Muster aus Art Deco, Orient und Asien, Maxikleid und Turban, sogar eine perlenbestickte Shorts von Balmain. Diese würde ich so natürlich – ganz unabhängig vom Anschaffungswiderstand – nicht tragen. Aber sehr gern mag ich meine lange weite Seidenhose mit asiatisch anmutendem Muster, sogar Zweiteiler (lang und kurz) mit auffallendem Muster sind vorhanden und freuen sich auf den Sommer. Wichtig ist die Beschaffenheit der Stoffe und Muster, es darf nicht zu rustikal-natürlich sein, auch folkloristische nordische Stickerei erschlägt mich. Viel besser sind filigrane fedrig wirkende verzweigte Muster, nicht zu ordentlich, sondern weich und überwiegend organisch.
Daneben gefallen mir auch die minimalistischen Outfits sehr gut – Kleid oder Longbluse über Hose mit zierlichen Sandalen, die am liebsten Knöchelriemen haben – fertig. Lange Ketten und Ohrringe mit Federn und Perlen sind dagegen nicht meins, da darf es edler bleiben – modern und schlicht oder antik und feingliedrig verarbeitet, gern in einer gewissen Größe.
Ach Schade, die Sommerpause! Gerade genieße ich das sonntägliche Ritual wieder sehr. Vielen Dank für den anregenden heutigen Beitrag!
Dir und allen Leserinnen einen schönen Sonntag,
herzliche Grüße von Henrike
Liebe Henrike,
Deine Beschreibung zeigt, dass es tausend und eine Möglichkeit gibt, den Boho-Look umzusetzen und dabei genau in seinem individuellen Stil-Profil zu bleiben. Das finde ich wunderschön: dass es so viele völlig unterschiedliche Ausprägungen des Boho-Stils gibt. Das funktioniert aber eben nur, wenn man sich auf die Detailarbeit einlässt und die einzelnen Stil-Dimensionen und passenden Stil-Facetten wirklich für sich selbst bestimmt.
Das Ansprechen fremder Frauen habe ich mir angewöhnt, um Frauen in ihrem Modemut zu bestätigen – eine Art feminine Soldidaritätsbekundung sozusagen. Dabei habe ich schon die aberwitzigsten Begegnungen erlebt und tolle Frauen getroffen – auch wenn es nur spannende Highlight-Momente waren 🙂 Ich finde, wir sollten uns gegenseitig viel mehr Komplimente machen – natürlich nur, wenn es auch stimmt!
Liebe Grüße von
Stephanie alias die Modeflüsterin
Da gebe ich Dir ganz recht! Ich freue mich auch immer über ernst gemeinte Komplimente.
Vor Kurzem saß ich in einem Cafe und bewunderte eine Frau am Nebentisch: Sie trug eine langes, schwarzes Leinenkleid mit buntem Tuch und roter Kette (dezente Boho-Elemente!).
Ich traute mich nicht, sie anzusprechen. Dann wandte sich die Frau zum Gehen. Bevor sie das Cafe verließ, kam sie zu uns herüber und sagte: »Sie sehen ja toll aus in Ihrem Retro-Look!«
Da war ich vielleicht stolz!
… und nahm mir vor, künftig mutiger zu sein und mehr Komplimente zu verteilen.
Selber besitze ich gar kein Boho-Gen. Entsprechendes Experiment vor einigen Jahren im Zusammenhang mit Deinem entsprechenden Stilbeitrag endete bekanntlich desaströs …
^.^‘
Liebe Silva,
das ist aber ein tolles Kompliment! Da freue ich mich sehr mit Dir 🙂
Liebe Grüße von
Stephanie alias die Modeflüsterin
Hallo Stephanie,
vielen Dank, Dein Beitrag kommt für mich zur rechten Zeit und beantwortet mir Fragen, die ich mir gerade beim Abarbeiten der Modeflüsterinstilformel stelle. Ich fand den Boho-Stil schon immer toll, bin aber schon weit über 60. Zudem hat sich leider bereits bei der Mustermixchallange und jetzt auch wieder im Rahmen der Stilformel bestätigt, dass Muster so gar nichts für mein Aussehen tun. Und ich trage eigentlich auch am liebsten nur dunkle Farben – aber dann schon Schluss kommt bei mir dann doch immer ein riesengroßer Ohrring oder Armreif oder eine Ethnokette und möglichst noch Riemchensandalen mit Holzplateau oder Wildlederboots dazu. Deine tolle Pinwand und Dein Blogbeitrag zeigen, dass das geht – und ich bin glücklich und fühle mich bestätigt. Vielen Dank.
Liebe Beanna,
das freut mich sehr, dass ich mit dem Beitrag zu mehr Klarheit führen konnte 🙂
Es ist recht oft so, dass die richtige Dosis das entscheidende Element ist, das einen Look tragbar macht – sofern die Stil-Facette für den eigenen Stil relevant ist. Und es gibt immer mehrere Möglichkeiten, einen Stil umzusetzen. Letztendlich sind es alle Stil-Dimensionen, die man dafür einsetzen kann. In Deinem Fall wären das dann eben nicht die Farben oder Muster, sondern vor allem die Schmuckstücke oder vielleicht eine lässig-freiheitliche Boho-Schnittführung, eine schlichte Tunika oder Ähnliches.
Liebe Grüße von
Stephanie alias die Modeflüsterin